Die Adventszeit in Maldorf in den Jahren 1960-1970
(so erlebten Hedda und Tinni diese Zeit)
(so erlebten Hedda und Tinni diese Zeit)
Nun hieß es Lebkuchen backen. In Maldorf sagte man „Koechen bocken". Es wurden vor allem Weihnachtsmänner und große Herzen aus Lebkuchenteig gebacken. Zum Nachteil der Kinder, wurde dieses Gebäck zwar sehr früh gebacken, durfte aber nur als Kostprobe auf den Tisch gestellt werden. Der größte Teil des „Keochens" wanderte in einem großen Korb zu einem, von der Mutter gut ausgedachtem Versteck und kam erst wieder am Heilig Abend unter den Weihnachtsbaum.
Die Adventzeit war auch die Zeit in der unsere Eltern und Großeltern mehr Zeit für uns hatten. Da die Dunkelheit bald einbrach und der Abend sehr lang war, spielten unsere Eltern und Großeltern mit uns Karten und Mühle.
Oft waren es auch selbstgebastelte/bemalte Karten aus Karton. Auch „die Mühle" wurde selbst gebastelt. Mit roten und weißen Bohnen bzw. Maiskörner wurde dann gespielt.
Damit es nicht allzu eintönig wurde und damit auch die Mütter nebenbei noch etwas arbeiten konnten, ging man am Abend von 19-22 Uhr „an de Goss". Dieses war im Anverwandtschaftskreis ein gegenseitiges Besuchen. Hierbei lernten die Kinder auch wer eigentlich mit wem anverwandt ist. An solchen Abenden konnten dann die Kinder miteinander spielen, die Mütter bzw. Großmütter kamen mit dem „Reiken" (Spinnrock), um mit recht voll gesponnen Spindeln mit Wolle, Baumwolle oder Flachs nach Hause zu gehen.
Der Spinnrock war das einfachste Gerät um Wolle, Baumwolle oder Flachs zu spinnen. Dabei wird der Faden verdrillt und auf der Spindel aufgewickelt.
Für das Spinnen war sehr viel Fingerspitzengefühl gefragt, da die Fasern bei Baumwolle zum Beispiel sehr kurz sind und es sollten recht lange durchgehende Fäden gesponnen werden.
Obwohl die Tage sehr kurz waren und die Dunkelheit früh einbrach, hatten wir Kinder nie genug vom Spielen.
Spätestens 14 Uhr waren wir aus der Schule zu Hause. Es ging gleich mit an die Hausaufgaben. Dabei gingen unsere Gedanken aber schon an den Schlitten. Die Kinderscharen eilten zum Dalchen, Bierich, Hollefernes, Hiech, Kokeschgorten. Hier gab es wunderbare lange Rodelbahnen („Bunnen".
Die Schlitten wurden bewundert. Wer hatte den besten und schnellsten Schlitten! Wer kam die Rodelbahn am schnellstens runter. Einige der Maldorfer Jungen hatten riesig lange Schlitten (von geschickten Vätern selbst erstellt). Jedes Maldorfer Kind war stolz, wenn man mit so einem Schlitten einmal rodeln durfte.
Die langen Eisflächen auf dem Maldorfer Bach waren oft voll belegt mit Kindern, die auf dem Eis rutschen wollten. Einige der Maldorfer Jungen besaßen Schlittschuhe!! Es war nicht üblich, dass Mädchen mit Röcken mit Schlittschuhen auf's Eis gingen. Mädchen haben die Jungen bewundert!!!
Der Samstagnachmittag war in Maldorf, dem Religionsunterricht gewidmet. In Gruppen, nach Schulklassen eingeteilt begann der Religionsunterricht um 14 Uhr, mit den Jüngsten der Gemeinde. Da in Siebenbürgen Schule und Kirche getrennt waren, lag es in der Zuständigkeit des Geistlichen und der Eltern die Kinder zu Christen zu erziehen. Im Religionsunterricht lasen wir wichtige Ausschnitte aus der Bibel, sangen die bekanntesten Kirchenlieder und lernten den ganzen Kathechismus auswendig.
Auch die Vorbereitung für Weihnachten lag in den Händen des Dorfpfarrers. Für Heiligabend wurde das Krippenspiel einstudiert und für die Frühkirche wurde das Singen für den „Lichtert" geprobt.
Der Lichtert war ein Schmuckstück besonderer Art, ein Kunstwerk von Frauenhänden mit viel Geduld und Geschmack geschaffen. An einem zwei Meter langen Stab werden drei verschiedene große Holzreifen angebracht. Die in ihrer Verkleidung und Verzierung einer Kegelform ähneln. Die drei Reifen werden mit Wintergrün (Immergrün) umwunden und verziert sowie mit Schleifen und Ringen aus Binsenmark (sächsisch "Bes" )."Papelcher" (rote Früchte der Lapionsblume/Physalis), Papierblumen und bunte Bänder aus Krepppapier (Rüsenpapejer)betonen die Schönheit des Lichterts.
(Wie der Lichtert angefertigt wurde, mit wie viel Freude die Maldorfer Kinder während der Adventzeit bei der ganzen Sache dabei waren, diese Erzählung überlassen wir andern Maldorfern, die sich bereit erklärt haben, über das „Bes-Sammeln, Bes-Oisstüßen usw." zu berichten).
Der „Lichtert" diente zu Weihnachten als Lichtquelle beim Leuchtertsingen der Schulkinder in der Frühkirche (Litanei/Christmette).
Wir möchten hier noch kurz die oben erwähnten Verzierungen des „Lichterts" erläutern:
Papelcher (Lampionsblume/Physalis) sind knallrote kleine Früchte (kirschgroß ) die an Weinberghecken gesammelt wurden und als Schmuck für den "Lichtert" dienten.
„Der Bes" (Binse) ist eine Sumpfpflanze deren rundliche, starre Gräser /Halme mit einem schwammartigen weißen Mark gefüllt sind. Dieser Mark wurde halmweise herausgeholt indem man mit einem Streichholz den Grashalm vorsichtig aufgeschlitzte. Es kam ein langer, geschlängelter, zarter „Faden" zum Vorschein, den unsere Mütter rund um die Papelcher und zusammen mit Immergrün kunstvoll um die Holzstäbe und Reifen des Lichtertgestells banden.
Aus Krepp-Papier wurden von unseren Müttern, angeleitet von besonders kreativen und geschickten Frauen aus Maldorf, schöne „Rosen" gebastelt, die dem Lichtert noch einen zusätzlichen Hauch von Schönheit verliehen.
Die vielen Kerzen die am Lichtert angebracht wurden, spendeten die Kinder der jeweiligen Part (Gruppe von Kindern). Die jeweiligen Namenskürzel wurden in die Kerzen, welche man beim Lichtertträger abgab, eingraviert.
„Lichtertträger" waren vor dem zweiten Weltkrieg acht Kinder. In den 60er/70er Jahren waren es dann nur noch vier, jeweils zwei Mädchen und zwei Jungen (früher waren es die Besten der Konfirmandengruppe, dann wurde entschieden, dass die zwei ältesten Mädchen bzw. Jungen, die Lichtertträger sein sollten)
Am ersten Weihnachtsfeiertag wurde der Lichtert um 5:30 Uhr in der Früh von den Eltern des betreffenden Lichtertträgers in die Kirche zur Frühmette getragen.
Die jeweilige Part versammelte sich im Kirchenschiff rund um den Lichtert, um dann im Wechselchor zu singen. Den genauen Ablauf des „Lichtertsonjen" können Sie hier finden: Litanei
Nach der Christmette wurden die vier Lichtert an speziellen Ständer vor dem Altar bzw. im Kirchenschiff aufgebaut und blieben dann dort bis Heilige-Drei-Könige stehen. Während der Frühkirche am 1. Januar ließen die vielen Kerzen der vier Lichtert nochmals die Kinderaugen vor Freude leuchten.
Nach dem Heilige-Drei-Könige wurden die Lichtert abgebaut und jedes Kind erhielt die Kerze, auf der das Namenskürzel war, wieder zurück und zusätzlich noch eine aus Krepp-Papier gebastelte Rose, die VOR der Kerze am Lichtert als Schmuck diente.
Dieser schöne Brauch wird leider in der neuen Heimat nicht mehr ausgeübt. Damit aber dieser Brauch und viele andere aus unserer alten Heimat nicht in Vergessenheit geraten, würden wir uns sehr freuen, wenn dieser Bericht liebe Maldorfer und Hohndorfer ergänzt würde. Bitte senden Sie Ihren Text an: katharina.kotapski@maldorf-hohndorf.de
Geheimnisvolle Zeit - seliger Advent
Gesegnet bleibt die Stunde zeitlebens, da man im Advent forteilt, mit einem Bein in der Gegenwart steht, mit dem anderen im Traum der Vergangenheit und dieser Erinnerung nicht mehr los wird!
Man weilt in der Minute des Gedankens und merkt kaum, dass man Jahrzehnte übersprungen und dort steht , wo einst unsere Wiege stand! Da packt es einen ganz und man sinniert mit Versen: "wisst ihr noch, wie es geschehen? Immer werden wir erzählen wie der Advent in Maldorf ein Ereignis, ein immerwährender Zustand war, der sich tagtäglich darstellte. Er brachte das freudige Geschehen bereits im alltäglichen Klang der großen Adventsglocke, die im ausschwingenden Pendelschlag den verschneiten Fluren und noch schlafenden Seelen die Adventstag einläutete und laut verkündete:
"Die Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern.
So sei nun Lob gesungen
Dem hellen Morgenstern.
Auch wer zur Nacht geweinet,
der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet
Auch deine Angst und Pein."
Seliger Advent, da auch die Eltern davon träumten, ihrem Kind die Ehre zuteil werden zu lassen, der "Part voranzugehen und den Lichterbaum in der Frühmette u tragen und leuchten zu sehen! Auch einem unerfahrenen Junglehrer öffneten die glänzenden Kinderaugen das Geheimnis des Adventsgeschehens. Die vier Klassenersten, Jungen und Mädchen, wählten sich ihren "Part" und suchten sich ihre Sänger und Sägerinnen aus, die nun in acht Gruppen ihre Litanei in der Christmette singen sollten. So rollten dieses "Parten" das gesamte Adventsgeschehen auf. Jeden Nachmittag wurde eigens eine Singstunde, Praeces genannt, eingelegt zum Einüben der Weihnachtslieder und der Litanei. Da Wort "Praeces" geht auf folgenden lateinischen Begriff zurück: praeces (von praecipio) bedeutet soviel, wie: Unterricht erteilen, im voraus lernen.
Diese Gruppen überboten sich und wetteiferten miteinander. Nun hieß es, einen günstigen Tag zum Wintergrünholen zu bestimmen. Er wurde zu einem schulfreien, freudigen Tag! Mit Marschmusik der Adjuvanten ging es der Hege zu in Richtung des Waldes im "Birnbaum". Zurück ließen wir die tränenfeuchten Augen der Mütter, die uns sehnsüchtig nachschauten. Der sonnige, kalte Herbsttag war uns hold. Wie besessen schwirrten die acht Gruppen auseinander und suchten sich ihre Wintergrünplätze. Der Wald gab ihr Neckereien wieder: "Mir hu voll, ihr hot hohl! Hurra!!"
Inzwischen brannte der Holzstoß auf der Wiese, wo die Adjuvanten die Holzfleischstücke der Kinder brieten. Verschmitzt boten einige Kinder ihrem neuen Schulmeister einen Trunk neuen Weines aus ihren Holzflaschen an. Mit vollgefüllten "Toasern" (längliche Leinentasche) traten wir den Heimweg an und ließen den schönen Tag mit einem Tänzchen ausklingen. Was weiter geschah, entzog sich der Öffentlichkeit, denn jeder Sängergruppe strebte den schönsten "Lichtert" an!
Inzwischen liefen die Vorbereitungen zur Christmette. Neue Überraschungen kündeten sich an.
Es galt, den 60 Schulkindern der Oberstufe einen Neujahrswunsch beizubringen, den sie in ihren Familien aufsagen wollten. Der strenge Winter zog ein und hob die Weihnachtsstimmung. Nach wie vor läutete die große Glocke zum Advent um sechs Uhr früh und zum Beschluss des Tages um 20 Uhr.
Mit Weihnachtsliedern und Kurzgeschichten un den im Sprechchor der 60 Kinderkehlen vorgetragenen Neujahrswunsch ging es in die wohlverdienten Ferien. Die Spannung war geladen und voller Erwartung luden die Glocken am Heiligabend zur Christfeier ein; nur in Maldorf blieb alles still. Außer bei den Adjuvanten, die sich zum Kirchendienst einfanden, der mit dem Turmblasen zur Mitternacht begann und zum Ausklang der Christmette um 6 Uhr in der Früh mit einer Weihnachtsarie mit Orgelbegleitung, Geigen, Trompeten und Gesang, endete. Jahr um Jahr saßen sie die ganze Nacht durch im Musikzimmer der Schule und erwarteten bei einem bescheidenen Kartenspiel, bei Wein und Schnaps den neuen Tag des Christfestes.