Sittag - Richttag - maldorf-hohndorf.de



Sittag - Richttag (Fasching/Karneval)


Der Aschermittwoch war der völkische Gerichtstag in unserm Sachsenland. Er wurde aber nicht zum rachesüchtigen Zahltag, sondern blieb der Tag des Ausgleichs und der Versöhnung. Mit Ernst und Würde begegnete man ihm und sobald die Kirchenglocken läuteten, kleideten sich alle Männer in ihre Kirchentracht und schritten behäbig dem Gotteshaus zu.
Es war eigens ihr Buß- und Beichtgottesdienst, von dem die Frauen und Jugendlichen ausgeschlossen blieben. Ein erhebendes und eigenartiges Bild, das an den mittelalterlichen Männerorden aus katholischer Zeit erinnert. (Diese Höchstform des Aschermittwochs verlief in Maldorf ohne Beichtgottesdienst)
Unteres Lied (aus dem ev. Gesangbuch) deutete den Ernst der Stunde an:


"Jesus nimmt die Sünder an:
saget doch dies Trostwort allen.
Welche von der rechten Bahn
auf verkehrten Weg verfallen!
Hier ist was sie retten kann,
Jesus nimmt die Sünder an!


Ich betrübter komme hier
und bekenne meine Sünden;
lass, mein Heiland, mich bei dir
Gnade und Vergebung finden,
dass dies Wort mich trösten kann:
Jesus nimmt, die Sünder an!


Jesus nimmt die Sünder an.
Mich auch hat er angenommen,
mir den Himmel aufgetan,
selig hin zu ihm zu kommen.
Auch im Tode ruf' ich dann:
Jesus nimmt die Sünder an.!"


Im Beicht-und Sündenbekenntnis,
bezeugten sie ihre Schwachheit und hofften auf Gnade und Vergebung. Ein letzter Versöhnungshandschlag beim Ausgang bekräftigten die Männer, nun reinen Herzens den Richttag zu begehen.


In diesem Akt erleben wir die Überlieferung aus bedrohter Zeit, als es Männersache war, die belagerte Kirchenburg unter Gottes Schutz zu stellen und sie in Treu und Glauben zu verteidigen!
Im Nachbarschaftshaus finden sich alle wieder ein. Ihr Kirchenpelz ersetzte die Robe des Richters und die in Ehren gehaltene Nachbarschaftslade steht für die Bibel da. Da die Gemeinde in mehreren Nachbarschaften organisiert war, erfolge nun überall dasselbe Ritual.


Also sprach nun der Nachbarschaftsvater: "Liebe Nachbarn, da ihr nun durch das Beicht-und Sündenbekenntnis in der heiligen Abendmahlsfeier eure Herzen und Sinne gereinigt und im Handschlag mit allen Nachbarn dies bekräftigt habt, bitten wir den lieben Gott, er möge uns in dieser ernsten Stunde leiten und uns den richtigen Weg zu Recht und Gerechtigkeit zeigen..."
Nach dem Rechenschaftsbericht des Nachbarschaftsvaters und des Kassenwarts war der Weg frei, etwaige Übertretungen und Unterlassungen, die im Laufe des Jahres vermerkt waren, zu ahnden.


Das war für die eingeschworenen Nachbarn auf die überlieferten Nachbarschaftsartikel nicht schwer und rasch war man sich einig, dass ein Nachbar sich strafmündig gemacht hatte wenn er:
· An Sonn-und Feiertagen auf der Heuwiese arbeitete.
· Zur bestellten freiwilligen Gemeindearbeit, z.B zum Brücken-und Wegebau nicht erschien.
· Beim Hausbau des Nachbarn nichts beitrug.
· Bei einer Feuersbrunst sein Scherflein und seine Hilfe zum Wiederaufbau verweigerte.
· Zur freiwilligen Arbeit an der Friedhofsgestaltung absagte.
· Wenn er die Kirchensteuer nicht bezahlen wollte.
· Wenn er sich den ungarischen und rumänischen Landsleuten gegenüber schlecht benommen hatte...


Diese Ahndungen von Übertretungen waren für die Sicherung unseres Lebensraumes und unserer deutschen Volksgemeinschaft wichtig, was von allen Nachbarn auch eingesehen wurde.


Ohne viele Gegenreden wurden die verhängten Geldstrafen bezahlt. Das war nun das Sensationellste an diesem Demokratieverständnis: keiner bestritt die Kompetenz des Richttages durch eine Widerrede, dass z.B. nur staatliche Gerichte Strafen aussprechen könnten!
Keiner schloss sich aus dem heiligen Ring der Volks-und Dorfgemeinschaft aus.


Nach Beratungen neuer Vorhaben, z.B. Neubau eines evangelischen Gemeindesaales, oder einer Volksschule, schloss sich die Aufnahme der neuvermählten Nachbarn an, die sich den Einstand mit einem Eimer Wein kosten ließen. Am Schluss ging man zur Wahl des neuen Nachbarvaters über.


Der Nachbarvater war der Kopf der Nachbarschaft(umfasste 20-30 Häuser und deren Familien). Nachbarschaftsvater oder Nachbarhann ist übrigens eine Bezeichnung, die aus der fränkischen Gegend des Rhein-Maingebietes stammt.


Mit einem Dankgebet erhoben sich die Nachbarn und bildeten eine Kolonne um den Gang ins neue Nachbarschaftshaus anzutreten, zum neugewählten Nachbarvater. Das war ein faszinierender Vorgang: der Altnachbarvater setzte sich an die Spitze des Zuges und trug dabei in würdevoller Haltung die Nachbarschaftslade. Zum Auszug erklang das Lied:


"Unsern Ausgang segne Gott,
unsern Eingang gleichermaßen,
segne unser täglich Brot,
segne unser Tun und Lassen."


Erst beim neuen Nachbarvater legte man den Kirchenpelz ab, und es begann der dreitägigen Sittag für alt und jung. Musikanten spielten auf und los gings im rheinischen Karneval!


Während dieser drei Tage (Sittag/Fasching/Karneval) zelebrierte die Bruder-und Schwesterschaft auf dem Bergkamm über dem Friedhof in Maldorf das Winteraustreiben mit brennender Puppe und dem lodernden Wagenrad, wonach man den Tag mit alten Volksbräuchen beschloss.


Nachwort:


Da immer mehr Maldorfer und Hohndorfer die Feldarbeit aufgaben und ihren Arbeitsplatz aus Maldorf in die nahegelegenen Städte (Elisabeth, Mediasch, Schäßburg) verlegten, wurde in den letzen Jahren (ca.1965-1989) nur noch am Aschermittwoch gefeiert (Fosnicht).