Spätherbst in Maldorf - maldorf-hohndorf.de

Der Spätherbst in Maldorf in den Jahren 1960-1970
(so erlebten Hedda und Tinni diese Zeit)


Oktoberlied
Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenk´ ein den Wein, den holden !
Wir wollen uns den grauen Tag
vergolden, ja vergolden !
Und geht es draußen noch so toll,
Unchristlich oder christlich,
Ist doch die Welt,die schöne Welt,
So gänzlich unverwüstlich !
Und wimmert auch einmal das Herz, -
Stoß an und laß es klingen !
Wir wissen doch, ein rechtes Herz
Ist gar nicht umzubringen.
Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenk´ ein den Wein, den holden !
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden !
Wohl ist es Herbst; doch warte nur,
Doch warte nur ein Weilchen !
Der Frühling kommt, der Himmel lacht,
Es steht die Welt in Veilchen.
Die blauen Tage brechen an,
Und ehe sie verfließen,
Wir wollen sie, mein wackrer Freund,
Genießen, ja genießen !
(Theodor Storm 1817-1888)


Das Einbringen aller landwirtschaftlichen Erzeugnisse in Maldorf neigte sich Anfang November dem Ende zu. Wir Kinder freuten uns jedes Jahr auf die Zeit danach, die schöne Adventzeit mit den langen Winterabenden, dem hellen Mondschein, und vor allem auf den Schnee, dessen Begleiter in dem siebenbürgischen Bergland oft ein eisiger Wind war.


Bei der Ernte waren wir Kinder oft dabei. In besonders guter Erinnerung haben wir die Weinlese. Es machte Spaß die schönen Trauben zu sehen und zu „lesen". Die Sensation beim Weinlesen war für die Kinder die selbstgedrehte Zigarre. Versteckt hinter den Hecken der Weingärten, drehten wir aus getrockneten Weinblättern in Zeitungspapier Zigarren, die wir heimlich rauchten, zum Ärger der Eltern. Aber für uns Kinder war es DAS ERLEBNIS des Jahres.


Wir durften auch bei der Ernte des Körnermaises helfen. „Kukuruz obrechen" hieß es dann. Die vollbeladenen Wägen wurden in die Scheune eingefahren, dort wieder entladen. Es entstand ein riesiger Haufen Mais. Damit der Mais schnell von den vielen Schichten Blättern „befreit" wurde, half man sich im unter Anverwandten bzw. unter Nachbarn.


Wenn wir das Wort „Kukuruz schielen" aussprechen, denken wir auch heute noch an die schon frostigen Abende in Maldorf, wo wir bei hellem Mondschein und warm bekleidet, uns ein Plätzchen in dem riesen Haufen Mais, der in der Scheune (Tenne) lag, suchten. Mit den Blättern, die wir von den Maiskolben entfernten, deckten wir uns gut ein, damit wir nicht froren.


Die Nostalgie dieser Abende wird auch jetzt immer wieder in uns wach, wenn hier in unserer neuen Heimat an schönen Oktober-/Novembertagen der Mond so schön leuchtet.


Oft reichte der Schein des Mondes nicht, dann wurden die gutbewährten, alten Petrollampen benutzt, die zusätzlich Licht spendeten.


Fand man beim „Kukuruzschälen" einen roten Maiskolben, war man von der Arbeit befreit. Natürlich galt dieses nur für Kinder und nicht für die Erwachsenen. Rote Maiskolben waren recht selten zu finden, daher war es eher ein Trick der Erwachsenen, die Kinder bei guter Laune zu halten.


Freude bereitete den Kindern immer wieder das „Kukuruz-Oistompen" Hier waren meist die Mädchen betroffen, die Röcke trugen. Man wurde praktisch zu einem „Dickerchen" gemacht, indem mehrere Personen versuchten so viele Maisblätter wie nur möglich unter die Röcke der Mädchen zu verstauen.
Das Spiel geriet Ende der 60er/Anfang der 70er leider in Vergessenheit, da die „Hosenmode" kam und die Röcke bei Mädchen mit Hosen ersetzt wurden.


Als Belohnung für das „Maisschälen" gab es dann am späten Abend für die fleißigen Helfer und Helferinnen ein „spätes Abendbrot" (getoastetes/"gebätes" Brot und Glühwein). Kinder durften dann auch eine Kostprobe vom Glühwein bekommen (natürlich in Maßen!!).
War die gesamte Maisernte im Speicher, waren die Wirte beruhigt. Nun konnte man kräftig zugreifen und die Schweine mästen, damit sich das Schlachten dann auch lohnte.




Säht wät schnåt! Säht wät schnåt!
Schni af alle Feldern låt,
däkt de Soten, däkt det Kirn,
net e Keimchen giht verlirn
vun dem deiren, kenftijen Brit,
dåt den Hanger ställt, de Nit.
Säht wät schnåt!
Schni af alle Feldern låt.
Säht wät schnåt! Säht wät schnåt!
Schni af allen Däjern låt.
Stadt, Geminden, Gaß uch Haus,
alles segt esi fridlich aus;
alln det Heßij däkt e za.
Kem nor uch der Mänsch zer Rah!
Säht wät schnåt!
Schni af allen Däjern låt!
Säht wät schnåt! Säht wät schnåt!
Schni af alle Wiejen låt.
Nichen Spuren kåst te sähn,
dä vun Mänsch ze Mänschen zähn.
Alles ställ uch weiß uch rin ...
Bäst mät dir uch Gott ellin ...
Säht wät schnåt!
Schni af alle Wiejen låt!
Säht wät schnåt! Säht wät schnåt!
Schni af alle Gräwern låt.
Wat vergången, däkt e za.
Alles, alles schleft ä Rah,
schleft wä Bum, uch Blom, uch Kirn,
net e Keimchen giht verlirn.
Säht wä't schnåt!
Schni af alle Gräwern låt!




(Grete Lienert-Zultner)


Mit dem ersten Frost (in Siebenbürgen DER natürliche Gefrierschrank bis Anfang der 70er) und den ersten Schneeflocken hörte man im Dorf im Morgengrauen schon das überlaute Quieken der Schweine die gerade geschlachtet wurden. Der schlimmste Vorgang dabei war das Stechen. Dieses konnte nur ein geübter Schlachter (Metzger) richtig machen. Kinder waren beim Stechen des Schweines kaum dabei. Es war eine Erwachsenenangelegenheit.





Das Schlachten eines Schweines war Angelegenheit der Großfamilie. Jeder packte an, da viel Arbeit an diesem, vom Schlachter geplanten Tag, anfiel. Begrüßt wurden der Schlachter und die männlichen Helfer schon im Morgengrauen mit einem „Stampel" Schnaps und einem Glas Glühwein sowie getoastetem („gebätem" ) Brot. Erst danach wurde „gestochen".


Nach dem Stechen und Entbluten des Schweines folgte das Brühen und das Enthaaren. Dabei wurde das Schlachttier in einem speziellen Holztrog mit kochend heißem Wasser (über 60°C) überbrüht („gebadet" ). Anschließend folgte die Enthaarung (das Abschaben) wobei die Haare/Borsten und die oberste Hautschicht mit speziellen Schabglocken leicht entfernt werden konnten.


Beim nächsten Schritt wurde das Schlachttier auf einen großen Haufen feinsten Strohs gelegt. Dort wurde es „gebrannt". Durch das „Brennen" erhielt das Schwein eine goldbraune knusprige Hautschicht „die Schwarte".


Ein Leckerbissen für die Kinder waren die braungebackenen Ohrenspitzen und das „Schwänzchen". Gab es mehrere Kinder beim Schlachtfest so war die Geschicklichkeit des Schlachters gefragt. Jedem Kind wurde ein kleiner Teil gegeben. Es durfte kein Streit aufkommen.





Beim Ausnehmen des Schweines galt das erste Stück Fleisch dem „Kohlenfleisch" (Grillfleisch). Dieses war so-zu-sagen der Festschmaus der Gastgeber für Helfer und Helferinnen. Das. „Kohlenfleisch" wurde draußen gegessen, meistens bei Minustemperaturen. Die Großfamilie stand dabei um einen großen Tisch herum.




Innereien (Därme, Leber, Lunge, Hirn) und tranchiertes Fleisch wurden jeweils in extra Bottiche gelegt.




Nun ging es ans Säubern/Trennen der Därme. Dieses war eine sehr aufwendige Arbeit, welche von der Gastgeberin und deren Helferinnen übernommen wurde. Zuerst musste Dickdarm von Dünndarm getrennt werden. Anschließend wurde dann wiederholte Male gespült und gewendet bis der Darm sauber war und eine ganz helle Farbe hatte.


Recht zügig musste die Gastgeberin mit der Vorbereitung des Mittagessens beginnen. Um hier einen größeren Aufwand zu vermeiden, wurden Fleischscheiben in ein Backblech gelegt und mit geviertelten Kartoffeln abgedeckt. Dieses wurde im Ofen („Brätes" ) gebacken. Dazu gab es Sauerkraut. Angestoßen wurde mit einem Glas Wein und „Lejer" (Getränk erzeugt aus Wasser und dem Resten der gekelterten Trauben, nachdem der Most für den Wein abgesondert wurde. Die „Lejer" war ein säuerliches Getränk, welches besonders für Kinder und Frauen geeignet war, da dieses Getränk keinen/kaum Alkohol enthielt).


Bevor man mit dem Verarbeiten des Fleisches begann, musste schon das Abendessen für die Großfamilie auf den Herd. Auch hier war praktisches Denken angesagt. Es gab einen Eintopf, der nicht viel Arbeit benötigte, da man mit dem Wurstmachen beschäftigt war. Dieser pikante Eintopf hieß „Krinenlawand" und bestand hauptsächlich aus Gemüse, angebratenen Fleischstückchen, Hirn. Gewürzt wurde mit Meerrettich (Krin =Meerrettich), Pfeffer, Paprikapulver, Salz und Essig. Zum Binden des Eintopfgerichtes verwendete man Mehl und Ei.


Der Speck (Boflisch), zwei riesen große Stücke, wurde auf ein großes Brett („Bejt" ), mit viel Salz überstreut, zum Ruhen gelegt. Nach ca. einer Woche wurden beide Hälften des Specks in der kalten Speckkammer an Metallhaken an die Decke aufgehängt. Von hier holte man dann über Monate, je nach Bedarf, je ein Stückchen Speck. Das 'Boflisch' brauchte man schließlich fürs ganze Jahr, damit man was zum 'Einsacken' hatte.




Speck (Boflisch), Wurst und Fleisch wurden auch geräuchert. Nicht jeder Wirt in Maldorf hatte eine Räucherkammer. Man brachte alles zu einem „Räuchermeister". Bezahlt wurde „in Natur", mit einem Stück Fleisch und Wurst.


Eine große Menge vom Fleisch, welches vorher in einen Bottich in Salz gelegt wurde, bekam eine „Ruhezeit" von ca. 48 Stunden Anschließend wurde es im Backofen in großen Blechen gebraten („agebräden" ), um dann in große emaillierte Blechtöpfe geschichtet zu werden. Mit Fett und Sonnenblumenöl wurde das eingelegte Fleisch übergossen. Somit erhielt man eine Vakuumschicht die das Fleisch lange haltbar machte. (Durch den Entzug von Wasser kann Schmalz, soweit kühl und dunkel gelagert, kaum verderben und wurde daher zur Konservierung des Fleisches verwendet(es war die Zeit VOR den Gefrierschänken!!).


Bevor man zur Ruhe kam und das gemeinsame Abendessen genießen konnte, musste noch alles aufgeräumt werden. Wenn die Großfamilie (Geschwister, Eltern, Kinder) sich nach dem Abendessen trennte, war meistens auch der gesamte Arbeitsbereich sauber und aufgeräumt und man konnte den arbeitsreichen Tag ruhig ausklingen lassen.


Das „Grieben/Grammelnbraten" war am Tag nach dem Schweineschlachten die Aufgabe der Hausfrau. Hierbei wurde ein Teil des Specks in kleine Stücke geschnitten und in einem großen Topf aus Guss und bei mäßiger Temperatur ausgebraten.






Wegen seines ausgeprägten Aromas ist Schmalz („Fottet" ) bei den Siebenbürger Sachsen sehr beliebt und wird als Brotaufstrich sehr gerne mit Zwiebel gegessen.
Folgende Tage nach dem Schweineschlachten wurden für das „Bechen" genutzt (Waschen der ganzen Tischdecken, Küchentücher und alles andere was beim Schweinschlachten benutzt wurde). Auch hier half man sich unter Anverwandten.




Hierbei wurde in einen riesigen Bottich (ca.200l) die gesamten handgewebten Tischdecken, Küchentücher, Handtücher übereinander geschichtet, oben drauf mit einer etwas älteren Tischdecke abgedeckt. Darauf wurde dann viel Asche gestreut. Die Asche bewirkte, dass sich der Schmutz in der Wäsche löste (alkalische Eigenschaft der Asche). Diese wurde immer wieder mit kochendem Wasser übergossen. Unten am Bottich war ein Wasserhahn aus Holz angebracht, wo dann die Aschenlauge wieder herausfloss. Die aufgefangene Lauge wurde wieder gekocht und anschließend wieder über die Wäsche im Bottich gegossen. Dieses war ein Kreislauf, der etliche Male wiederholt wurde.


Am zweiten Tag wurde dann mit dem „Blujel"(Bleuel) auf dem „Weischstüel" (Waschbank) gewaschen. Diese Art von Reinigung bestand im Schlagen der Wäsche mit Holzbrettern mit Griff. Das Wasser mit dem Schmutz oder der Lauge wurde dabei aus dem Gewebe gepresst. Der „Weischstüel" war ein speziell angefertigter, langer, hoher, ca. 30cm breiter Waschtisch.
Beim Schweineschlachten gab es kaum Abfall den man wegwarf. Aus kleinen Resten von Fleisch, Fett, Speck, Därme, die anderweitig nicht genutzt werden konnten, wurde Seife gekocht. Das Kochen der Seife war Angelegenheit der Hausfrau und nicht ungefährlich.
Die Lauge (Luchstein) war ein ätzendes Mittel, welches die oben erwähnten Bestandteile im kochend heißen Wasser zersetzte. Nach langem Kochen und anschließendem Abkühlen bildete sich oben im Topf eine geschmeidige Schicht: die Seife. In kleinere Stücke geschnitten, wurde sie für den Haushalt benutzt.


Damit waren nun die groben Arbeiten im Haushalt beendet und alle freuten sich auf die Adventzeit.